Lokalbahn mit Charme & landschaftlicher Skulpturenzauber

Alter Zug mit jungem Geist kutschiert zur Kunst am See

LEO ist schon etwas in die Jahre gekommen. Ihren 110. Geburtstag feierte die Lokalbahn Bad Endorf – Obing am 15. Oktober 2018 und rattert immer noch fröhlich dahin. Kürzlich durften wir selbst erleben, dass es ein großes Glück für alle interessierten Zuggäste ist, dass die museale Nostalgiebahn mit viel Herzblut von Freiwilligen gerettet wurde. So kamen wir an einem herrlichen Herbsttag in den Genuss einer Fahrt nach Obing, wo als Ausflugs-Highlight eine geführte Skulpturenwanderung rund um den See am Programm stand.

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Mit Leib und Seele im LEO unterwegs

Ein lächelnder Mann mit oranger Warnweste steht am Bahnsteig und schwenkt seine Fahne zur Begrüßung. Sein Kollege, seines Zeichens der Lokführer, winkt ebenfalls einladend. Ein schönes Willkommen für uns. Wir sind an diesem warmen, herbstlichen Sonntag gerade in Bad Endorf im Chiemgau angekommen, von wo aus wir einen Ausflug mit der Lokalbahn LEO unternehmen. Der antiquierte Triebwagen versetzt uns in die 60-er Jahre zurück – aus dieser Zeit stammt der Oldtimer auch. Heute ist er als museale Nostalgiebahn regelmäßig wochenends unterwegs und befördert Anrainer wie Urlaubsgäste. Die Mannschaft geht ihren Aufgaben leidenschaftlich nach: Lokführer Franz steuert routiniert den Dieselwagon über die 18,3 km lange Strecke von Bad Endorf nach Obing. Bei sämtlichen Bahnübergängen lässt er die Warnpfeife schrillen und nickt stehenbleibenden Autofahrern zufrieden zu. Schaffner Mathias sichert fünf Bahnübergänge manuell und gewissenhaft: Franz bremst, Mathias steigt aus, holt seine Fahne hervor und geht in Position, sodass niemand versehentlich die Gleise überschreitet oder überfährt. Sohn Felix, inoffiziell der „Nachwuchs-Schaffner“, unterstützt seinen Papa beim Ticket- und Getränke-Verkauf im Zug. Sogar Elektromonteur Gerhard Steindl, seines Zeichens zuständig für die Wartung der alten Zugwagons im Betriebsbahnhof Obing, lässt sich an diesem strahlend sonnigen Herbsttag eine kleine Ausfahrt nicht entgehen.

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Viadukt bei Amerang

Zugfahrt für Genießer mit Viadukt-Highlight

Mit uns an Bord befinden sich heute circa 20 andere Fahrgäste, die die Expedition von Bad Endorf über Halfing, Amerang, Aindorf und Pittenhart nach Obing am See genießen. Die Ausflugsgäste kommen zur Urlaubszeit aus ganz Deutschland, teilweise auch aus Frankreich, Italien oder anderen Ländern. Aber auch Anwohner nützen die Zugstrecke gerne und regelmäßig, erfahren wir von Maria Becker, ehrenamtliche Pressesprecherin des Vereins der Chiemgauer Lokalbahn. Der LEO, in dem potenzielle 80 km/h stecken, ist auf dieser Strecke mit maximal 50 unterwegs. Die Sonne scheint, prächtige Bäume rauschen ganz nahe an den Gleisen vorbei und wenn man sich umdreht, erblickt man die Gipfel der Kampenwand und der Hochries. „Eine so herrliche Landschaft. Ich war schon oft im LEO unterwegs, aber ich bekomme nie genug davon“, so Maria. Wahrhaftig ein „Höhepunkt“ ist das geschichtsträchtige Viadukt, über das wir mit dem LEO düsen. Mit seinen 22 Metern Höhe ist es das höchste Viadukt Bayerns aus Stampfbeton.

Auf den Zug folgt die Kunst

Bei Pittenhart wird ein letztes Mal stehengeblieben, sodass Mathias rausspringen und den Bahnübergang händisch sichern kann. Danach sind wir auch schon an der Endstation Obing angelangt, wo uns Franz nach einer Dreiviertelstunde Zugfahrt freundlich verabschiedet. Die Sachen dürfen wir sogar im LEO lassen, denn nach der Skulpturenwanderung rund um den örtlichen See, die nun auf dem Programm steht, wird er uns gemächlich zurück zum Ausgangspunkt in Bad Endorf befördern.

Kunstwanderung rund um den See

Glücklicherweise ist der goldene Herbstausflug hier noch nicht zu Ende. Ums Eck vom Betriebsbahnhof Obing wartet bereits Inge Graichen auf uns, die unsere Skulpturenwanderung leiten wird. Entschlossenen Schrittes steuert sie mit uns auf den Obinger See zu, nachdem sie unsere Gruppe mit Foldern, die die Kunstwerke beschreiben, ausgestattet hat. Seit bald 20 Jahren befinden sich die zeitgenössischen Objekte südostbayerischer Bildhauer hier am Gewässer. Ein Ansinnen dieses „Skulpturen in der Landschaft“-Projektes ist es, dass man Kunst im frei zugänglichen Raum zeigen will, sodass jeder damit in Berührung kommen kann, nicht nur jene, die extra dafür eine Galerie besuchen.

Kultur trifft Natur

Unweit des lieblichen Ortskerns treffen wir bereits auf „Fragmento“, eine Skulptur des Künstlers Karl Weibel. Eine dicke Torfschicht symbolisiert die Geschichte Babylons, verschwindet jedoch zusehends aufgrund des natürlichen Wildwuchses. „Mir gefällt dieses Werk sehr, weil es die Vergänglichkeit abbildet. Die Natur hat sich hier eindeutig schon so breit gemacht, dass sie mit der menschengemachten Kunst verschmilzt und sich irgendwann komplett durchsetzt“, erläutert Kunstführerin Inge ihre Gedanken dazu.